11. April 2011 | Politik

Restrisiko

Begriffsbestimmung in Bezug auf Atomkraft

von Karl Albrecht Schachtschneider

Restrisiko ist ein sehr unterschiedlich gebrauchter Begriff. Oft wird er ebenso irreführend und verschleiernd wie falsch eingesetzt, nämlich als das Risiko, das bleibt, wenn man die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat. Aber die Maßstäbe der Sicherheit sind das Problem.

Nach der Rechtslage (Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes und § 7 Abs. 2 Nr. 3 Atomgesetz) muß jede Möglichkeit eines Schadens, d. h. jede Gefahr oder jedes Risiko, unterbunden werden. Möglich ist ein Schaden, dessen Eintritt man erkennen, den man also theoretisieren kann.

Jede Theorie einer Schadensmöglichkeit ist rechtlich relevant, wenn diese denn wissenschaftlich ist (nicht etwa Gerede oder Ängste). Die pessimistische Theorie ist nach dem Satz: in dubio pro securitate, maßgeblich, weil die möglichen Schäden verheerend sind.

Alle Risiken jenseits der wissenschaftlichen Erkennbarkeit sind das Restrisiko. Dieses besteht, weil der Mensch die Welt nicht ganz kennt, jedenfalls hat sich das bisher so dargestellt. Dieses nicht erkennbare Risiko ist rechtlich nicht relevant.

Das Bundesverfassungsgericht spricht von „Ungewißheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft, die ihre Ursache in den Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens“ haben, und ist damit von den meisten, wenig kantianisch gebildeten Interpreten mißverstanden worden. Es ist aber Kants Begriff der praktischen Vernunft gemeint, wie ich vom damaligen Berichterstatter des grundlegenden Kalkar-Beschlusses von 1978 (BVerfGE 49, 89 (143) weiß.

Ich habe in einer ausführlichen Schrift zu der Problematik Stellung genommen, nämlich: Der Rechtsbegriff „Stand der Wissenschaft und Technik im Atom- und im Immissionsschutzrecht“, 1988, in: Werner Thieme (Hrsg.), Umweltschutz und Recht, S. 81 ff.

Berlin, 11. April 2011, Karl Albrecht Schachtschneider

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