Erinnerung ans Recht
Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider
Deutschland zeichnet sich nicht mehr als Rechtsstaat aus. Der Verfall der Rechtlichkeit der Politik hat sich beschleunigt. Das liegt im Wesentlichen an der Integration Deutschlands in die Europäische Union, aber auch an dem Internationalismus der vermeintlich postnationalen Ordnung der Welt. Vor allem die Plutokratie treibt die Globalisierung im Interesse größtmöglicher Verwertung ihres Kapitals voran. Sie nimmt auf die Freiheit der Menschen, deren gutes Leben in Sicherheit und Ordnung, auf die Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens in den Staaten und unter den Staaten keine Rücksicht. Die Plutokraten arbeiten Hand in Hand mit den Sozialisten, die in der Einen Welt eine Chance zur Verwirklichung ihrer Ideologie eines globalen Egalitarismus sehen.
Die unionale und globale Handelspolitik des weltweit offenen Marktes ohne hinreichenden Schutz der einzelnen Volkswirtschaften ist ein erfolgreiches Ausbeutungssystem zum Schaden aller Völker. Sie hat weder Wachstum erbracht noch größeren Wohlstand der Menschen, vielmehr Arbeitslosigkeit und Unsicherheit der Lebensverhältnisse für die meisten von ihnen, freilich einen sittenlosen Reichtum weniger.
Der Binnenmarkt als Projekt der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb wird als Freihandel propagiert, dem aber die Voraussetzungen komparativer Kostenvorteile fehlen. Der Europäische Gerichtshof hat entgegen den Unionsverträgen im Interesse der Kapitalverwertung und des Egalitarismus die Wirtschaft hart dereguliert und eine staatswidrige Freizügigkeit erzwungen. Deutschland ermöglicht der unechte Freihandel mit der Einheitswährung ein unfaires Preisdumping. Das ist der Grund des starken Exports der rückständigen Wirtschaft Deutschlands. Die internationalen Kapitaleigner nutzen den unechten Freihandel und die gleichheitswidrige Besteuerung, solange sie sich bereichern können.
Die Währungsunion mit dem Euro war der geplante Staatsstreich nach dem erwarteten Scheitern des Binnenmarktes. Sie wird entgegen dem Recht vom System der Europäischen Zentralbanken mit monetärer Staatsfinanzierung in Billionenhöhe bis zum Zusammenbruch der Finanzen und der Wirtschaft verteidigt.
Im »Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts« hat die Europäische Union nicht die Außengrenzen zu sichern vermocht. Das hat mangels Binnengrenzen, humanitär bemäntelt, die illegale Masseneinwanderung vor allem nach Deutschland ermöglicht, dessen Sozialsystem eine unwiderstehliche Sogwirkung entfaltet. Die westlichen Mitgliedstaaten der Union sind nachhaltig destabilisiert und, schlimmer noch, durch dauerhafte Islamisierung bedroht. Die Sicherheit eines Staates nach innen und außen ist dessen wesentlicher Zweck und der einzige Grund für den Gehorsam der Bürger gegenüber den Gesetzen.
Diese und viele weitere Fehlentwicklungen werden mittels schwerer Verstöße gegen Recht und Gesetz verteidigt und von außerordentlicher Propaganda begleitet. Kritiker werden gegen alle Meinungsäußerungsfreiheit ausgegrenzt und mit Rufmord, wenn nicht mit Strafen belegt. Schon jetzt sind Gewalttaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit Begleiterscheinungen der islamischen Invasion. Das führt zum Schweigen und mehr und mehr zur Flucht der verängstigten Bürger. Die Rechtsverletzungen werden durch einen Moralismus, Political Correctness, überlagert, der gegen alle Moral des Rechtsstaates die Menschen in die Untertänigkeit zwingt. Es gibt keine materiale Moral, etwa Humanität genannt, gegen das Recht. Freiheitliche Sittlichkeit, deren Triebkraft die Moralität ist, ist der stetige Wille aller Menschen, nach dem Rechtsprinzip zu leben.
Die Souveränität der Bürger ist ihre Freiheit, die sie gemeinsam im Staat unmittelbar durch Abstimmungen oder mittelbar durch Beschlüsse der Vertreter des Volkes in den Organen des Staates ausüben. Diese Souveränität ist mit dem Menschen geboren. Sie ist eine Einheit mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Niemand kann den Bürgern die Souveränität nehmen, aber sie wird zunehmend häufiger und schwerwiegender von den Volksvertretern verletzt. Nicht die Europäische Union ist die Schicksalsgemeinschaft der Bürger, sondern ihr Staat. Er trägt die Verantwortung für Freiheit, Sicherheit und Recht.
Das in die Europäische Union integrierte Deutschland ist kein Rechtsstaat und daher auch keine Demokratie und zudem kein Sozialstaat, obwohl noch viele Verhältnisse rechtsstaatlich, freiheitlich und sozial sind. Die Souveränität der Bürger setzt deren Bürgerlichkeit voraus, und diese wiederum Besitz und Bildung. Beliebige Arbeiter und Verbraucher sind nicht schon per se Bürger. Ohne hinreichende Homogenität der Bürgerschaft ist eine freiheitliche demokratische Grundordnung, eine Republik also, nicht zu verwirklichen. Das demokratische Defizit der Europäischen Union ist unaufhebbar. Die Union hat kein Volk, das eine hinreichende Identität hätte, und wird niemals ein solches haben. Sie überschreitet zudem durch ihre Größe die Grenzen möglicher Demokratie. Wesentlicher Grund der Entwicklung ist der auf Führung und Gefolgschaft aufgebaute Parteienstaat, die Verfallserscheinung der Republik. Er schließt die Menschen wirksam von der Politik aus und ersetzt politische Teilhabe durch desinformierende Propaganda.
Eine Republik muß säkularistisch sein. Das Religiöse darf nicht in die Politik eindringen. Politik ist nach Kant »ausübende Rechtslehre«, also Gesetzgebung, die das auf der Grundlage der Wahrheit für alle Bürger im allseitigen Diskurs als richtig Erkannte als allgemeinen Willen, also in Formen der Demokratie, verbindlich macht. Religionen sind nicht allgemein und nicht allgemeinheitsfähig. Sie können genausowenig wie Ideologien nicht Maximen für Gesetze des Rechts geben. Teilhabe der Bürger an der Politik verlangt deren innere Säkularisation und praktische Vernunft.
Zum friedlichen Widerstand gegen den Verfall des Rechts gehört der Widerspruch, in Reden und Schriften. Dazu gehören auch Beschwerden vor den Verfassungsgerichten, deren vornehmste Aufgabe die Verteidigung des Rechts als dem Kern der Verfassungsidentität ist.
Zum Widerstand gehört die Erinnerung ans Recht. Erinnerung ist einerseits der Hinweis auf die jeweilige Rechtslage, andererseits die Mahnung, das Recht zu achten.
Meine Überzeugung ist: Es geht allen Menschen gut, wenn das Rechtsprinzip verwirklicht wird. Das Recht ist in jeder Lage objektiv, also erkennbar. Niemand ist befugt, sich über das Recht zu stellen und sich zum Herren über die Menschen zu machen. Freiheit und Herrschaft sind unvereinbar.
Der Kampf um das Recht hört nie auf. Wir sollten darin nicht ermüden.
Ihr Karl Albrecht Schachtschneider,
Vortrag vom Wissensforum am 30. November 2018 in Walsrode
Ordentlicher Professor des Öffentlichen Rechts
Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider, als Sohn eines Pfarrers 1940 in Pommern geboren, hat die Juristischen Staatsexamina 1964 und 1969 in Berlin abgelegt, in Berlin 1969 an der Freien Universität promoviert und in Hamburg für das Staats-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht 1986 habilitiert. Er war von 1969 bis 1980 Rechtsanwalt in Berlin, von 1972 bis 1978 Professor für Wirtschaftsrecht in Berlin und von 1978 bis 1989 Universitätsprofessor für Wirtschaftsrecht in Hamburg, hat 1986 und 1987 öffentliches Recht in Göttingen und 1988 in Kiel gelehrt und hatte von 1989 bis 2005 einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Rechts-und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Von 1992 bis 1995 war er Prodekan und Dekan der Fakultät. Er ist seit der Pensionierung emeritierter ordentlicher Professor des öffentlichen Rechts in Erlangen/Nürnberg. Er lebt jetzt mit seiner Frau wieder in Berlin. Beide haben eine Tochter, Konzertpianisten in der Schweiz. Seine Arbeitsgebiete sind die Freiheits-, Rechts- und Staatslehre (kantianisch); Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht; Europäisches Verfassungs- und Wirtschaftsrecht; Völkerrecht; Weltwirtschaftsrecht; Sozialrecht, Staatsunternehmensrecht; Arbeitsverfassungsrecht; Geld- und Währungsrecht; Medienrecht; Parteienrecht, Steuerverfassungsrecht; Einwanderungsrecht.
Er hat 27 rechtswissenschaftliche Monographien und als Herausgeber weitere 7 Bücher und mehr als 250 Aufsätze veröffentlicht. Monographien u. a.: Das Sozialprinzip, 1974; Staatsunternehmen und Privatrecht, 1986; Res publica res populi, Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre, 1994; Anspruch auf materiale Privatisierung, 2005: Freiheit-Recht-Staat, Aufsatzsammlung, 2005; Prinzipien des Rechtstaates, 2006; Freiheit in der Republik, 2007; Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2: Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, 2010; Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam, 2010, 2. Aufl. 2011; Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik. Ein Staatsstreich der politischen Klasse, 2011; Die Souveränität Deutschlands. Souverän ist, wer frei ist, 2012; Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre, 2015; Erinnerung ans Recht. Essays zur Politik unserer Tage, 2016; Die nationale Option. Plädoyer für die Bürgerlichkeit des Bürgers, 2017; Gemeinsam mit W. Hankel, W. Nölling und J. Starbatty: Die Euro-Klage, 1998, und: Die Euro-Illusion, 2001; gemeinsam mit diesen und D. Spethmann: Das Euro-Abenteuer geht zu Ende. Wie die Währungsunion unsere Lebensgrundlagen zerstört, 2011. Er ist Herausgeber zweier Schriftenreihen zum Europa- und zum globalen Recht und mehrerer Festschriften. Er hat u. a. Verfassungsprozesse von europäischer Bedeutung geführt: Maastricht-Vertrag, 1992/93; Altschulden, 1996; Euro, 1998; Verfassungsvertrag, 2005 ff.; Lissabon-Vertrag 2008 f.; Griechenlandhilfe/ Rettungsschirm, 2010; Eurorettungspolitik (ESM, Fiskalpakt, Euro-Plus-Pakt, Six-Pack, EZB-Maßnahmen), 2012 ff.; Masseneinwanderung, 2016; Quantitave Easing, 2016 ff.; CETA 2016 ff.. Er hält im In- und Ausland Vorträge, führt Verfassungsprozesse und verfaßt Gutachten zu aktuellen Fragen des öffentlichen Rechts.
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