22. Dezember 2012 | Politik

Andreas Popp – Verschwörungstheorie – eine Begriffsbestimmung

Theorien von Verschwörung und Nichtverschwörung

von Andreas Popp

 

Update (Februar 2015): Eine Medienanalyse hat ergeben, dass der Begriff „Verschwörungstheoretiker“ häufig mit dem gegenteiligen Begriff „Verschwörer“ gleichgesetzt wird.

Belege und sprachliche Ursache siehe:

Sprache als Waffe – Lügenpresse gegen Verschwörungstheoretiker

Demgemäß sollte man es vermeiden, sich als Verschwörungstheoretiker bezeichnen zu lassen oder gar selbst zu bezeichnen. Die übrigen Inhalte der Begriffsbestimmung zum Thema Verschwörungstheorie gelten nach wie vor.

Siehe auch: Nazitheoretiker
Nazitheoretiker
Welche Manipulation steckt im Wort „Verschwörungstheoretiker“?

In unserer schnelllebigen Zeit findet eine exakte Kommunikation selbst bei elementaren Themen kaum noch statt. Wie aber wollen wir verhindern, dass der viel zitierte Karren noch komplett im Morast des verfehlten Systems versinkt, wenn wir offenbar nicht einmal klar und konstruktiv miteinander sprechen? Die vermeintlich entscheidungsbefähigten Personen der Wissenschaft oder Politik scheinen eher nicht bemüht zu sein, weitgehend interpretationsfrei zu argumentieren. Im Gegenteil. Damit würden sie sich klar positionieren, anstatt sich alle Türen für einen Rückzug offen zu halten.

Eine exakte Definition von Begriffen ist jedoch eine unverzichtbare Grundlage für eine konstruktive Kommunikation. Stattdessen aber werden bestimmte sinnvolle Vokabeln mit „geistigen Viren“ belegt, um ihren aufklärenden Charakter zu vernebeln. Diese Bezeichnung stammt aus der MEM-Forschung und beschreibt eine tendenziöse oder sogar falsche Zuordnung des Sinnes bestimmter Worte. Durch diese Fehlbestimmungen kann man (sachlich betrachtet) vernünftige Vokabeln virusartig so in die Bevölkerung infiltrieren, dass sie nicht nur ihren Sinn verlieren, sondern sogar einen regelrechten Negativ-Reflex beim Empfänger auslösen. Mir fällt auf, dass in Talk-Shows, Bundestagsdebatten, Medienveröffentlichungen, selbst in alternativen Internet-Blogs usw. permanent mit diesen „Vokabel-Waffen“ gearbeitet wird, um „Gegner“ zu diskreditieren. (Siehe auch Vortrag in Memmingen: https://www.wissensmanufaktur.net/andreas-popp-vortrag-in-memmingen-memetik-september-2012/)

Ich möchte mich heute einer modernen Vokabel widmen, die als klassisches Beispiel für eine Diffamierung von freidenkenden Menschen herangezogen werden kann. Es geht um die „Verschwörungstheorie“. Neulich sprach ich vor einer recht versierten Zuhörerschaft, bestehend aus erfolgreichen Managern, Wissenschaftlern und Politikern in Nordrhein-Westfalen. Meine in den meisten Fällen sehr überlegten Aussagen und Begriffsverwendungen führten auch dort zu Zwischenfragen. Das freut mich natürlich sehr, denn dadurch bin ich in der Lage, meine genutzten Vokabeln immer wieder zu erläutern. Mir liegt es fern, mich über andere Menschen zu erheben und zu behaupten, ich könne jeden Begriff final definieren, aber ich kann den Anspruch für mich erheben, nur wenig unüberlegte Vokabeln zu nutzen, was natürlich auch nicht immer gelingt.

Im Rahmen des genannten Vortrags, sprach ich unter anderem über viele Indizien, die aus meiner Sicht auf einen EU-Lobbyismus hindeuten. Als ein Zuhörer meine Aussagen als Verschwörungstheorie bezeichnete, freute ich mich über diese konstruktive Anmerkung und bedankte mich dafür. Dabei bemerkte ich jedoch eine leichte Verwirrung seinerseits, was mich veranlasste, den Begriff „Verschwörungstheorie“ näher zu erläutern.

Wir haben es mit einem zusammengesetzten Substantiv zu tun: 1. Verschwörung, 2. Theorie.

Zum Begriff Verschwörung findet man in Wörterbüchern und Lexika zusammengefasst die Definition „gemeinschaftliches Wirken zu einem geheimen, illegalen oder illegitimen Zweck“.

Verschwörung:
„gemeinschaftliches Wirken zu einem geheimen, illegalen oder illegitimen Zweck“

Denken wir z.B. an die „Verschwörung“ so mancher Eltern gegenüber kleinen Kindern, wenn sie ihnen einen Weihnachtsmann vorgaukeln. Hier werden natürlich keine illegalen oder illegitimen Zwecke verfolgt, aber ein gemeinschaftliches, geheimes Wirken ist es allemal und somit eine Verschwörung.

Eigentlich ist unser ganzes Leben mit Absprachen und Verschwörungen gespickt, durch die man andere Personen zu täuschen versucht – wenn man einmal in Ruhe darüber nachdenkt. Das kann z.B. in der Firma gegenüber Konkurrenten sein, aber auch im privaten Bereich, wenn sich z.B. Freunde vorher absprechen, bevor sie sich mit anderen unterhalten.

Den zweiten Begriff „Theorie“ kann man in diesem Zusammenhang als Modell der Realität bezeichnen, welches auf Beobachtungen, Indizien bzw. Prognosen basiert.

Theorie:
„Modell der Realität, welches auf Beobachtungen, Indizien bzw. Prognosen basiert“

Um das Beispiel des Weihnachtsmannes zu vervollständigen, gibt es sicher Kinder, die ein geheimes Wirken der Eltern, also eine Verschwörung, vermuten und diesbezüglich ein Modell der Realität, also eine Theorie, aufstellen. Definitionsgemäß kann man diese aufgeweckten Kinder als Verschwörungstheoretiker loben.

Warum aber löst der Begriff Verschwörungstheoretiker bei den meisten von uns eine eher ablehnende Assoziation aus? Offenbar haben wir es mit einem memetisch belegten Substantiv zu tun, also mit einem „geistigen Virus“, wie ich ihn eingangs beschrieb. Unsere Welt ist voll von sichtbaren und versteckten Memen, was eine exakte Kommunikation stark erschwert.

Die Möglichkeit einer Verschwörungstheorie sollte ein wesentliches Element jeder seriösen Forschung sein. Schließlich könnten vermeintlich „bewiesene“ Behauptungen auch auf Interessen bestimmter Lobbyisten beruhen, die damit neue Märkte entwickeln wollen. Schließlich unterliegt unsere Wirtschaftsordnung einem Wachstumszwang, den wir immer wieder kommunizieren.

Im Alltag kenne ich viele Verschwörungstheoretiker, die sich selbst gar nicht als solche verstehen. Wenn zum Beispiel kurz vor Feiertagen die Tankstellen flächendeckend ihre Preise erhöhen, unterstellt man den Ölkonzernen eine geheime Preisabsprache mit illegalem Zweck – also eine Verschwörung. Diese allein auf Indizien und Annahmen basierende Vermutung ist ohne Beweise natürlich reine Theorie. Wir haben es also auch hier wieder mit einer Verschwörungstheorie zu tun, und die lässt sich schnell erkennen, wenn man die Frage: „Qui Bono?“ (Wem nützt es?) stellt.

Gemäß dieser kurzen Begriffsbestimmungen müsste also jemand, der kein Verschwörungstheoretiker ist, daran glauben, dass der Weihnachtsmann real existiert und die Ölkonzerne nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, um ihre kommerziellen Interessen zu verfolgen. Er müsste quasi alles glauben, was man ihm erzählt, da er ja keine Verschwörungen vermuten darf.

Gehen wir nun einen Schritt weiter und legen den Finger etwas tiefer in die Wunde der schlampigen Vokabelnutzung, Stichwort: 9/11. Der Abschlussbericht der US-Administration zu den Terroranschlägen ist eine Sammlung von Indizien und Teilbeweisen, die eine Verschwörung eines Herrn Osama bin Laden und diverser Mitwirkender belegen sollen. Angesichts der unklaren Beweislage muss man diesen Bericht selbstverständlich als Theorie betrachten. Insgesamt handelt es sich also um eine von Nachrichtenagenturen und Regierungen verbreitete Verschwörungstheorie. Demgegenüber gibt es natürlich auch andere sachverständige Personen (wie zum Beispiel die aus über 1.000 Architekten und Ingenieuren bestehende Vereinigung „Architects & Engineers for 9/11 Truth“), die bei der Auswertung der Indizien und Teilbeweise zu ganz anderen Verschwörungstheorien gelangen.

Wichtig ist dabei nur, zu erkennen, dass meist mehrere verschiedene Theorien der Verschwörung konkurrieren. Ein bitterer Beigeschmack tritt nur dann auf, wenn eine der Parteien den Anspruch darauf erhebt, andere mit dem Begriff „Verschwörungstheoretiker“ diffamieren zu dürfen – auch wenn dieser Begriff natürlich zu Unrecht negativ besetzt ist.

An dieser Stelle spätestens muss ich die Seriosität der offiziellen Organe hinterfragen, die ihre eigenen Verschwörungstheorien nicht als solche bezeichnen wollen. Die Reaktionen dieser Machtelite verstärken wieder einmal den Verdacht, dass man weniger an einer Aufklärung der Sachverhalte interessiert ist, als vielmehr an der Installation bestimmter Dogmen – aber das ist ja schon wieder eine Verschwörungstheorie…

Verschwörungsleugnung:
„Behauptung, dass ein Ereignis nicht das Resultat einer Verschwörung ist“

Neben den sogenannten Verschwörungstheoretikern gibt es auch eine ganze Branche von Verschwörungsleugnern. Ein Verschwörungsleugner ist jemand, der behauptet, dass ein Ereignis nicht das Resultat einer Verschwörung ist. Eine Beweisführung, dass es etwas nicht gibt, ist allerdings grundsätzlich schwer bis unmöglich. Diese Branche hat sich offenbar in der vom Mainstream geprägten journalistischen Zunft entwickelt, die somit eher wenig zur Transparenz der tatsächlichen Sachverhalte beiträgt, sondern stattdessen die gelegten Nebelkerzen der Verwirrung energetisch versorgt.

Nichtverschwörungstheorie:
„Theorie von einer heilen Welt ohne geheime Absprachen“

Übrigens, wenn jemand überzeugt ist, dass sich die großen Presseunternehmen nur der objektiven Berichterstattung verpflichtet fühlen und dabei sogar kommerzielle Vorteile ignorieren, da sie ausschließlich der Wahrheitsfindung dienen möchten, darf sich getrost als „Nichtverschwörungstheoretiker“ bezeichnen. Das gilt natürlich auch für viele Mitbürger, die glauben, dass z.B. alle Bundestagsabgeordneten nur das Wohl des Volkes im Visier haben und sich niemals im Interesse ihrer Karriere in Hinterzimmern zu Entscheidungen hinreißen lassen würden, von denen sie eigentlich nicht überzeugt sind.

Die Vermutung und Untersuchung von möglicherweise geheimen Absprachen und Täuschungen – früher nannte man diese Arbeit investigativen Journalismus – sollte wieder zu der Reputation gelangen, die sie verdient hat. Andernfalls berauben wir uns wesentlicher Gedankenprozesse und verhindern eine bestmögliche Annäherung an die Wahrheit. Der Vorteil von Verschwörungstheorien ist übrigens, dass man Theorien bei neuen Erkenntnissen jederzeit nachbessern oder auch widerlegen kann.

Wir sollten uns dringend besinnen und innehalten, wenn wir das nächste Mal die Vokabel „Verschwörungstheoretiker“ vernehmen, denn der so Bezeichnete könnte tiefgründiger sein als der Sender, der die Vokabel als Totschlagargument oder Abwehrreaktion verwenden möchte.

Wir sehen, wie wichtig Begriffsbestimmungen sind, um seine Mitmenschen nicht zu diskreditieren. Da gibt es viele moderne Vokabeln, die zu definieren wären, z.B. Antisemitismus, Extremismus, Freiheit, Humanismus, Nationalismus, Regionalismus, Pazifismus, Radikalität, Rassismus, Souveränität, Wahrheit und so weiter… Wie wollen wir sonst eine konstruktive, friedliche Kommunikation führen? Oder ist das nicht gewünscht? Upps, da taucht ja schon wieder eine Verschwörungstheorie am Horizont auf…

Ich bekenne mich hier ganz offen zu dem Begriff „Verschwörungstheoretiker“, denn alles andere empfinde ich entweder als naiv (im Falle der Nichtverschwörungstheoretiker) oder als überheblich (im Falle der Verschwörungsleugner). Wenn ich unvoreingenommen forschen will (und das ist meine Intention), muss ich sehr vorsichtig mit dem Begriff „Wahrheit“ umgehen, denn ich weiß, dass ich niemals alle relevanten Indizien oder Beweise kennen kann, die mich zu meinem derzeitigen Weltbild führten. Meine Erfahrungen lassen mich vermuten, dass wir als Bürger z.B. politisch auch von Personen gesteuert werden, die nicht ihre Identitäten in den großen Medienanstalten offenbaren, sondern im Rahmen von Verschwörungen im Hintergrund agieren.

Denken wir nur an die leidige sogenannte Finanzkrise, die ja bekanntlich ein Systemdilemma ist, wie wir in der Wissensmanufaktur immer wieder zeigen. Die großen Medienanstalten lassen nicht erkennen, dass sie die wirklichen Ursachen hinterfragen wollen. Vielmehr beschreiben sie das Herumdoktern an Symptomen, das mit mathematischer Präzision nicht funktionieren kann. Viele ausgeleuchtete Köpfe auch der offiziellen Wissenschaft beweisen immer wieder, dass die eingeschlagenen Wege zu einer Verelendung führen müssen. Ich habe den Verdacht einer Verschwörung der amtierenden Machtinhaber, um alternative, den Interessen der Menschen dienende Modelle nicht an die Mainstream-Öffentlichkeit kommen zu lassen. Beweisen kann man das natürlich nicht, ohne vorher eine Verschwörungstheorie aufzustellen. Vielleicht ist es aber auch einfach nur die Selbstzensur als Folge der von uns so oft beschriebenen pluralistischen Ignoranz, die dazu führt, dass der Plan B der Wissensmanufaktur in der veröffentlichten Meinung kaum diskutiert wird.

Wenn wir die Machtfrage nicht stellen, sondern nur naiv an die Systemprobleme herangehen, werden wir sicher wenig erreichen. Wer nicht über das Abstraktionsvermögen verfügt, sich machtbesessene Personen vorzustellen, die im Rahmen von geheimen Absprachen zumindest in Kauf nehmen, den Menschen Schaden zuzufügen, der ist aus meiner Sicht wenig geeignet, eine zielgerichtete Veränderung einzuleiten. Leider ist keine wirkliche Zivilcourage gefragt, wenn es darum geht, sein Fähnlein in den Wind des Mainstreams zu hängen. Wer sich jedoch traut, eine vermutete oder ermittelte Verschwörung zu benennen, der wird von den Verschwörungsleugnern generalstabsmäßig in seiner Reputation demontiert, während die Masse der Bürger den Vorgang einfach ignoriert.

Unsere hektische Welt überfordert sehr viele Menschen. Burnout und Depressionen sind zur Volkskrankheit mutiert. Die meisten noch funktionierenden Personen halten offenbar am veröffentlichten Weltbild fest, denn auch sie sind leistungsmäßig oft am Limit. Könnte das nicht der Grund sein, warum aggressive Verschwörungsleugner heute auf eine ähnliche Weise „Verschwörungstheoretiker“ rufen, wie man früher „Ketzer“ rief? Vielleicht lässt ein gewisser Selbstschutz eine Neuordnung der eigenen vermeintlich „heilen Welt“ nicht bei jedem zu, egal wie erdrückend die Beweislage auch sein mag.

Verschwörungstheoretiker:
„Ketzer, der den Glauben an die heile Welt in Frage stellt“?

Es sollte der Normalfall sein, ermittelte Theorien einer Verschwörung seriös zu diskutieren, denn dadurch könnten auch viele verfahrene Situationen transparenter werden.

Ihr Andreas Popp, Dezember 2012